Zur Jahrhundertwende stand es nicht gut um die Schützenbruderschaften. In den vergangenen Jahrzehnten waren ihre bisherigen Aufgaben nach und nach an Berufsheere, bzw. Polizeidiener übergeben worden und auch die Kirche war nicht erfreut über die Schützenfeste. Der geistliche Kommissar für den Haardistrikt, Pfarrer Fromm von Körbecke zum Beispiel spricht von „tumultuosen Tänzereien und allerhand unsittlichen Ausschweifungen des zügellosen jungen Volks“. Daher wurde den Schützenbrüdern 1766 verboten mit Fahne, Gewehr und Trommel an Prozessionen teilzunehmen. 1770 wurde die „Schützenschwärmerei“ schließlich durch die weltlichen Räte verboten, weshalb sich in dieser Zeit viele Schützenbruderschaften aufgelöst haben, wodurch in einigen Gegenden Deutschlands das Schützenwesen komplett zum Erliegen kam. Dieses Schicksal scheint der Störmeder Bruderschaft jedoch erspart geblieben zu sein, da sonst sicherlich die alte Königskette eingezogen worden wäre. Ob noch Schützenfeste gefeiert wurden ist schwer zu sagen. Da jedoch keine Quellen zu finden sind, die Schützenfeste belegen und im allgemeinen die von Kriegen erschütterte napoleonische Zeit wenig Grund zum Feiern gab, liegt die Vermutung nahe, dass das Schützenwesen kaum noch Bedeutung hatte. Untermauert wird diese These auch durch die Königsliste der St. Pankratius-Schützenbruderschaft in der von 1775 bis 1840 keine Könige zu finden sind.
Dies änderte sich jedoch nach den Freiheitskriegen (1813-1815) und der Besitzergreifung Westfalens durch Preußen 1816. Den Preußen gefiehl das Schützenwesen, welches Bürgerverantwortung und Bürgergemeinschaft verkörperte, daher gab es sogar staatliche Förderungen. In dieser Zeit muß die Schützenbruderschaft auch in Störmede wiederbelebt worden sein. So gibt es Quellen, die 1822 ein Vogelschießen in Ehringhausen belgen, woraus vermutet werden kann, dass auch in den Nachbarorten wieder Schützenfeste gefeiert wurden. Ein sicherer Hinweis für die wiederbelebte Schützenbruderschaft ist die erste bekannte schriftliche Schützenordnung von 1835. Diese Satzung regelte das komplette Vereinsleben von der Aufnahme neuer Mitglieder und der Gleiderung der Bruderschaft, bis hin zum genauen Ablauf der Schützenfeste. Auch die zweite Bruderschaft der Söhne und Knechte besaß seit 1839 eine Satzung, leider ist jedoch kein Exemplar erhalten geblieben.
Als Zweck geben die Schützenbrüder „die Erhaltung, Bekräftigung und Wiederherstellung der Eintracht guter Ordnung und gegenseitiger Liebe unter den Störmeder Gemeindemitgliedern“ an. Daher konnten nur „unbescholtene verheiratete oder verheiratet gewesene Einwohner des Dorfes“ der Bruderschaft beitreten. Den Ausgleich zum Männerschützenverein bildete die Bruderschaft der Juggesellen, in dem sich die unverheirateten Söhne und Knechte organisierten. Es gehörte jedoch keineswegs die Mehrheit der Einwohner zum Schützenverein, was die Mitgliedszahlen belegen. Der Grund hierfür war aber weniger eine Abneigung gegen das Schützenwesen, sondern eher die allgemeine Armut der damaligen Zeit. Als Jahresbeitrag mußte jeder einen Scheffel Gerste zahlen. Die Hälfte dieser Einnahmen wurde zum Brauen des Schützenfestbieres an die Brauerei gegeben und der Überschuß verkauft, da die Bruderschaft auch Bargeld benötigte. Diese Art der Beitragszahlung hielt sich aber nur kurz. Schon 1842 wurde der Jahresbeitrag als Umlage bar bezahlt. Das Bier wurde nun bei einem Wirt eingekauft.
Der Verein organisierte sich nach preußischem Vorbild: Die Mitglieder wurden in einer Kompanie zusammgengefaßt, die vom Capitain (Hauptmann) angeführt wurde. Sein Stellvertreter war der Leutnant. Die Kompanie besaß eine Fahne mit Fähnrich und zwei Fahnenleutnats. Als weitere Unterteilung dienten die Rotten, die ca 12 Mann umfaßten und von Unteroffizieren angeführt wurden. Diese Personen bildeten zusammen mit dem Rechnungsführer den Vorstand der Bruderschaft, der jährlich in einer Versammlung gewählt wurde.
Nach und nach traten die geselligen und sozialen Elemente des Schützenwesens gegenüber den religiösen und patriotischen Motiven der vergangenen Zeit immer mehr in den Vordergrund. Daher war die wichtigste Aufgabe der Schützen die Organisation des jährlichen Schützenfestes. Es lassen sich bereits einige Parralellen zum heutigen Fest erkennen. Der Termin war allerdings noch nicht genau festgelegt, er sollte in der Zeit nach der Gerstenaussat liegen. Gefeiert wurde von Sonntag bis Dienstag, wobei am Samstag Abend der Vogel aufgesetzt wurde. Hierbei durfte jedoch kein Gelage statt finden. Nach den allgemeinen staatlichen Vorschriften konnte das Schützenfest am Sonntag erst nach der Andacht beginnen. Angetreten wurde am Hause des Capitains. Anschließend wurde die Fahne und der alte König abgeholt, dann die Gewehre überprüft und schließlich ging es zum Vogelschießen. Jeder Schütze schoß mit seinem eigenen Gewehr. Den ersten Schuß durfte der alte König abgeben. Anschließend übergab er die Königsinsignien an den Capitain. Nachdem der letzte Rest von der Stange gefallen war, traten die Schützen zur Krönung an. Als Geschenk erhielt der neue König einen Hut mit weiß-grün-schwarzem Band von der Bruderschaft. Von der Vogelstange marschierten die Schützen dann zur Wohnung des Königs, um die Königin abzuholen. Verheiratete Schützenbrüder mußten immer ihre Frau zur Königin nehmen. Im Gegensatz zum heutigen Schützenfest war es dem neuen König jedoch verboten einen Umtrunk an seiner Wohnung zu geben, da die Kosten nicht höher sein sollten als bei allen anderen Schützen. Nachdem die Königin mit einem Blumenkranz gekrönt worden war, marschierte man zum Tanzlokal, vermutlich auf einer großen Bauerndeele. Hier wurde dann getanzt und gefeiert bis der Capitain Schluß gebot, wobei er natürlich an die gewöhnliche Polizeistunde um 23 Uhr gebunden war. Montag und Dienstag begann das Schützenfest mit der Schützenmesse. Wie der weitere Ablauf an diesen Tagen war ist nicht bekannt. Zur Teilnahme am Fest waren grundsätzlich alle Mitglieder mit ihrer Familie, aber auch Fremde, gegen eine Eintrittsgebühr von 10 Silbergroschen, berechtigt. Störmeder, die kein Mitglied waren, durften nicht teilnehmen. Schulkindern war das Betreten des Festplatzes nur in Begleitung ihrer Eltern erlaubt. Jugendliche unter 17 Jahren durften nicht Tanzen.
Vertrag mit dem Festwirt über die Schänke von 1865 (links Original, rechts „Übersetzung“)
Das Jahr 1857 ist ein sehr bedeutendes Jahr in der Geschichte der St. Pankratius-Schützenbruderschaft, denn in diesem Jahr fand zum ersten Mal ein gemeinsames Schützenfest mit den Juggesellen statt. Es gab bereits Jahre vorher schon Bestrebungen die beiden Vereine zusammen zu legen, dies scheiterte jedoch daran, dass für so viele Schützen kein Tanzlokal gefunden werden konnte, welches groß genug war. Am 10. Juni 1857 wurde daher bei der Generalversammlung beschlossen ein Festzelt aus Hörste zu leihen. Die neue Vereinsgliederung orientierte sich wieder an der preußischen Heeresordnung. Die beiden Kompanien wurden zu einem Bataillon zusammengefaßt, das vom Kommandeur geführt wurde, der erst ab 1888 Oberst genannt wurde. Dieser war nicht mehr gleichzeitig auch Hauptmann der Männerkompanie. Beide Kompanien besaßen ihre eigenen Offiziere, nur der Rechnungsführer war für das ganze Bataillon zuständig. Der erste gemeinsame König der Bruderschaft war ein Knecht, der von allen als König akzeptiert wurde. Dies zeigt, dass der Zusammenschluß mehrheitlich im Dorf begrüßt wurde. Ein weiteres sicheres Zeichen für den Erfolg der gemeinsamen Schützenfeste ist die Anschaffung eines zusätzlichen Zeltes. Beim Schützenfest gab es also nun ein Tanz- und ein Trinkzelt. Als weitere Neuerung wurde 1857 der erste Parademarsch vom Kommandeur Amtmann Lucas eingeführt.
Nachdem sich die staatlichen Behörden mehrfach mit dem Schützenwesen befaßt hatten, wurden 1859 alle Schützenbruderschaften dazu verpflichtet ihre Satzungen zu überarbeiten. Diese Verordnung ist der Grund, warum viele Bruderschaften als Gründungsjahr 1859 angeben müssen, da sie keine älteren Dokumente besitzen. Die neue Satzung der St. Pankratius-Schützenbruderschaft ist wesentlich ausführlicher als die alte Satzung von 1835. Jetzt durften alle selbstständigen Bewohner Mitglied im Verein werden. Geändert wurden auch die Bestimmungen zur Vorstandswahl. Es wurde jedes Jahr nur noch der Kommandeur gewählt. Dieser ernannte anschließend alle Offiziere und den Rechnungsführer und besaß somit eine starke Stellung im Verein. Zumindest die Offiziere werden heute immer noch jedes Jahr vom Oberst ernannt, der übrige Vorstand wird jedoch alle 3 Jahre neu gewählt.
Erhebliche Änderungen gab es auch beim Schützenfest. Dieses nahm allmählich die heutige Form an. So wurde das Vogelschießen auf den Montag verlegt, wie es heute noch üblich ist. Am Samstag wurde nach wie vor der Vogel aufgesetzt und am Sonntag fand um 15 Uhr der Schützenumzug mit anschließendem Tanz statt. Da 1883 die strengen Vorschriften gelockert wurden, konnte nun auch bereits vor der Andacht am Sonntag gefeiert werden. Außerdem war es erlaubt am Samstag Abend, wie bei den Kriegervereinen, einen Zapfenstreich abzuhalten. Bis in die 1950er Jahre war es üblich Samstag Abend in der Schützenhalle Karten zu spielen. Montags wurde um 6 Uhr zum Abhohlen des Königs angetreten. Anschließend fand die Schützenmesse statt, bevor es dann zum Vogelschießen ging. Nach der neuen Regelung hatte der Kommandeur den ersten Schuß, den er im Namen des preußischen Königs abgab. Danach folgt der alte König und die Offiziere. Seit 1860 wurde der König nun auch dazu verpflichtet eine Gedenkmünze für die Königskette zu stiften. Änderungen gab es auch bei der Königin. Störmede ist das einzige Dorf in dem der König bis 1923 seine Königin aus den „unbescholtenen Jungfrauen des Dorfes“ wählen mußte. Außerdem konnte die Königin von nun an durch einige Hofdamen, die als Abzeichen eine rot-weiße Schleife trungen, begleitet werden. König und Königin waren durch eine blaue Offiziersschärpe zu erkennen. Durch die Satzung (§ 20) war es dem Königspaar weiterhin verboten den übrigen Schützen einen Umtrunk auszugeben. Hierdurch sollte der Charakter eines Volksfestes, bei dem es jedem möglich sein sollte König zu werden, erhalten bleiben.
In der Satzung von 1859 finden sich auch erstmals Angaben über die Anzugsordnung der Schützen, die der heutigen stark ähnelt. Alle Schützen hatten Röcke, aber keine Kittel, mit weißen Hosen zu tragen. Auch der Zylinder mit weißem Band und Eichenlaub war bereits vorgeschrieben. Die Offiziere trugen Gehröcke mit rot-weißen Schärpen und die Feldwebel Armbinden. Bei Ausmärschen führten die Schützen ein ungeladenes Kugelgewehr und die Offiziere und Feldwebel einen Degen mit sich.
Laut Satzung von 1859 sollte das Schützenfest am Sonntag nach Lobetag gefeiert werden, wie es auch heute noch der Fall ist. Dieser Termin wurde aber häufig nicht eingehalten. 1880 wurde jedoch vom Landrat bestimmt, dass der Termin eingehalten werden mußte, da „periodisch wiederkehrende Feste nicht willkürlich verlegt werden durften“. Auch die Dauer des Festes variierte. 1888 versuchte sogar die Regierung die Schützenfeste auf nur einen Tag zu begrenzen. Mit der Begründung, dass Schützenfest in Störmede „die einzige Lustbarkeit des Jahres“ sei, erreichte Amtmann Röper, dass auch weiterhin drei tage gefeiert werden durfte. So hat das Störmeder Schützenfest also seit Ende des 19 Jahrhunderts mehr und mehr seine Form angenommen, die es auch heute noch im Wesentlichen besitzt.
Klaus Linnemann und Martin Pieper, 2007
Quellen:
- „Die St. Pankratius-Schützenbruderschaft im 19. Jahrhundert“ von Walter Wahle in der Festschrift zum 325 Jubiläum der St. Pankratius-Schützenbruderschaft, 1994
- Wikipedia-Artikel „Schützenbruderschaft“
- „Schützen-Welten“ Ausstellung des Geschichtsmuseum Lüdenscheid zur Geschichte der Schützenvereine
- Archiv der Schützenbruderschaft